Mittwoch, 27. Juni 2012


                             Kampf um die Papiere

Menschen und Papiere, Papiere und Deutschland. „ Ohne Papiere hat man keinen Wert“ Diesen Spruch  habe ich am Anfang nicht wahrgenommen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ein Mensch ohne Papier keinen Wert hat.

Als ich vor zehn Jahren nach Deutschland  flüchtete, wurde ich zuerst gefragt, ob ich meine Papiere  aus Eritrea mitgebracht hätte. Ich war ohne Ausweis, ein Staatsloser. Ich habe versucht zu erklären, dass ich aus Eritrea komme. Niemand konnte mir glauben. Ich sagte immer und immer wieder  „Schauen Sie meine Hautfarbe an, ich spreche doch Eritreisch und hier ist die Adresse  meiner  Eltern, ich bin sicher dass ich aus Eritrea bin.“ Aber meine Aussage war ohne Papiere nicht glaubwürdig. 

„Wir wissen nicht Herr Kebraeb, woher Sie kommen, bitte bringen Sie uns Beweise“,  diesen Satz  hörte ich  jeden Tag  bei der Ausländerbehörde.  Erlaubnis nach Nürnberg  zu fahren, hier Bestätigung, da eine Stempel. Um in Deutschland  zu leben, muss man gültige Papiere vorweisen. Ohne Papiere keine Bewegung, keine Reise und kein Leben. Menschen wollen nicht Menschen sehen, sondern Papiere. Behörden glauben keinem Flüchtling, sondern nur Papieren. Wer keine Papiere hat, hat kein Leben, er existiert nicht.

Alle Papiere sind nicht gleich. Als Deutscher kann ich in die ganze Welt bequem reisen, mit einem eritreischen Pass ist das unmöglich. Mein Bruder  musste als Professor  oft fliegen und musste an vielen Konferenzen teilnehmen. Am Anfang hatte er einen Eritreischen Reiseausweis, nur deswegen wurde er überall  stundenlang intensive  kontrolliert.  Er ist heute Amerikaner geworden und nur, weil er Amerikanische Papiere besitzt, wurde er plötzlich nicht mehr kontrolliert.

Waris Dire ein erfolgreiche Model  und Menschenrechtskämpferin  aus Somalia schrieb in ihrem Buch „ Weil ich keine Papiere hatte, konnte ich als Flüchtling nicht an Internationalen Mode- Shows  teilnehmen, heute darf ich  als Buchautorin und Model mit den richtigen Papieren überall meinen Beruf ausüben. Also Papiere machen einen Menschen groß oder klein.

Ich kämpfe immer noch um meine Papiere,  ich kämpfe um meine Aufenthaltsgenehmigung, mein Abitur Zeugnis aus Eritrea nach Deutschland zu bekommen, um ein  Visum, damit ich als Flüchtling nach Amerika  fliegen kann, wegen meiner Geburtserkunde aus Eritrea…….. ich brauche immer Papiere.

In Eritrea bekommt man selten Post nach Hause, hier bekomme ich jeden Tag viel. Das ist für mich sehr belastbar. Weil ein Mensch ohne Papiere keinen Wert hat, muss ich richtig für meine Papiere kämpfen. Immer……



Zekarias Kebraeb

Deutschlandstiftung Integration

Mittwoch, 20. Juni 2012

Mittwoch, 13. Juni 2012


               Glücklich als Flüchtling- wie geht das?

Flüchtling sein, heißt ungeliebt und ungewollt sein. Als Flüchtling ist man   nicht willkommen, nirgendwo. Staaten, Behörden, Beamte, Polizisten, Grenzschützer…….. Niemand will sich mit Flüchtlingen abgeben. Flüchtlinge werden oft als Bedrohung wahrgenommen. Deshalb stellt sich die Frage: Kann man als Flüchtling glücklich sein? Wie soll das gehen?

Flüchtlinge erwarten nach ihrer Flucht ein besseres Leben, ein Leben in Frieden und in Freiheit. Die Wirklichkeit sieht aber leider ganz anders aus. Die Hoffnung auf das Paradies der Freiheit geht fast nie in Erfüllung. Ich hatte vor meiner Flucht aus Eritrea überhaupt keine Ahnung, wie meine Zukunft aussehen würde und wusste nicht, was auf mich zukommt. Ich wollte nur Eritrea verlassen, das Land in dem Diktatur herrscht, keine unabhängige Justiz Recht spricht, kein Parlament die Regierung kontrolliert, Freiheit ein Fremdwort ist. Was würde mich nach meiner Flucht erwarten? Hätte ich eine Chance, selbstbestimmt zu leben, glücklich zu werden? Am Anfang sieht man nur die Hoffnung. Als ich in der Wirklichkeit ankam, wich der Hoffnung eine große Mutlosigkeit, am Ende Verzweiflung.

Als ich z.B.  den Sudan erreicht  hatte, war die Freude über die endlich gewonnene Freiheit groß. Aber mein Glück war schnell vorbei. Denn plötzlich war ich ein Illegaler ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Papiere   ständig auf der Flucht vor der Polizei und auf der Suche nach einem sicheren Versteck. Ich war eben ein Flüchtling, ohne  Hoffnung und auch ohne die ersehnte Freiheit. Kein Grund, glücklich zu sein.

Flüchtlinge haben Angst, Angst vor Abschiebung, Verhaftung, Vergewaltigung, Gefängnis… Das kleine Glück ist, wenn man auf der Flucht wider Erwarten Hilfe erfährt, sei es durch Mitflüchtlinge oder einfach nur durch Menschen, die ein Herz für die Not des anderen haben. Aber für wie viele tausende ist die Hoffnung auf Hilfe vergebens gewesen!

In den langen Jahren, in denen ich in den Asyllagern festgehalten wurde, nicht lernen durfte, eigentlich nur die Zeit tot schlagen konnte, war meine einzige Zerstreuung das Fernsehen. Über Stunden habe ich in den Kasten geschaut, vieles nicht verstanden und am Ende Depressionen  bekommen. Das ist das Gegenteil von Glück!

Dabei wären Mut und Zuversicht nötig, um den Menschen eine Perspektive zu geben,  sie zu bestärken, auf ihre eigenen Kräfte und Hilfe setzen zu können. Nur so kann Hoffnung entstehen. Ich habe immer um ein wenig Hoffnung in meinem Herzen gerungen. Sie zu verlieren, wäre mein Tod gewesen. Denn nur wer Hoffnung hat, hat eine Chance auf ein wenig Glück. Trotz aller- Verzweiflung, der ich mich als Flüchtling nicht entziehen konnte- ein wenig  Hoffnung hatte ich immer und damit auch die Chance auf  Glück.

Zekarias Kebraeb
Deutschlandstiftung Integration


Mittwoch, 6. Juni 2012


Mein neues Leben ohne Residenzpflicht

Als Flüchtling ohne Legitimation wird man in ein Asylheim eingewiesen. Asyl klingt nach Schutz, nach Sicherheit und Geborgenheit. Die Wirklichkeit sieht oft ganz anders aus.

Ich wurde nach Solnhofen, einem Dorf mit 1900 Einwohnern in Landkreis Weißenburg- Gunzenhausen geschickt. Ein Asylheim mitten im Dorf, auf dem Lande, in Bayern, kaum vorstellbar.

Niemand kann sich vorstellen, wie schwer das Wort „ Residenzpflicht“ wiegt. Einen Ort nicht verlassen dürfen und das mit vielen anderen Flüchtlingen, das ist, wie in einem offenen  Gefängnis zu leben. Langweile, Streit, der Frust des nichts Tuns und die Enttäuschung mancher Flüchtlinge entlud sich oft genug in Gewalt. Zerbrochene Möbel und Fenster, verdreckte Küchen und Sanitäranlagen – Trauer, Enttäuschung und Wut waren die Folge.  Dazu das Verbot, keine Schule besuchen zu dürfen um etwas Sinnvolles zu lernen. Immer wieder die vergebliche Bitte um einen Urlaub, eine Ausnahme, ein kleines Stück Freiheit- „ Abgelehnt“!

Heute ist alles anders. Als anerkannter politischer Flüchtling bin ich frei. Ich darf überall hinfahren und fliegen und darf auch wieder nach Deutschland einreisen. Diese Freiheit ist für mich unbeschreiblich. Weil ich heute frei bin, kann ich mein Leben selbst in die Hand nehmen z. B  nach Berlin umziehen, arbeiten, mich um meine Bildung kümmern, viele Lesereise machen und letzte Woche sogar an einer Konferenz in den USA teilnehmen.

In der letzten Woche bin ich nach Washington D.C zu einer Konferenz über die Zukunft Eritreas geflogen und weiter zu einer Lesung nach Bern in die Schweiz. Das war der Wechsel von einem kleinen isolierten Flüchtling zu einem Weltreisenden. Was für eine wunderbare Erfahrung, frei zu sein! Das hat mich ermutigt, meinen Landsleuten weltweit Mut zu machen, meine Meinung in der Konferenz zu sagen, über meine Erfahrungen in verschiedenen Städten zu berichten und natürlich mein freies Leben zu genießen.

Die Residenzpflicht mag ein politisch notwendiges Mittel sein. In der Wahrnehmung eines Asylanten bedeutet die Residenzpflicht Lern- und Arbeitsverbot, wie in einem offenen Gefängnis.



Zekarias Kebraeb

Deutschlandstiftung Integration

Juni 2012