Montag, 23. April 2012


                           In den Händen von Schleppern

Flucht- das bedeutet, vor etwas weglaufen. Ich war auf der Flucht- und ich bin weggelaufen. Ich bin geflüchtet vor einer gnadenlosen Militärdiktatur, wollte Unfreiheit, Zwang, Hoffnungslosigkeit hinter mir lassen.

Aber wie kann man aus einem Gefängnis flüchten? Häscher, die Kontrollen, die Verräter sind überall, mit oft dramatischen Folgen für die Flüchtlinge.

Die einzige Chance, halbwegs sicher über die Grenze zu gelangen, sind Schlepper. Schlepper sind Menschen, die viel Geld damit verdienen, Flüchtlinge über die Grenze zu schmuggeln  und dafür Geld zu kassieren. Sehr viel Geld sogar, weil sie die Notlage  von Flüchtlingen für sich ausnutzen - die brutalste Form des Marktwirtschaft.

Flüchtlinge wissen nicht, wann sie flüchten können, wann sie schlafen dürfen und wann sie aufstehen müssen. Oft wissen sie auch nicht, in welche Richtung sie flüchten. Das bestimmen allein die Schlepper. Auf der Flucht ist Geld mehr Wert als die Menschenwürde ja sogar das Menschenleben. Jede Achtung vor dem Menschen, seiner Angst, seiner Not, seiner Würde geht verloren.  Auf der Flucht wird kein Unterschied gemacht zwischen Kindern, Frauen, Schwangeren, Schwachen oder Kranken. Geld ist wichtiger! Schlepper haben kein Herz. Menschenrechte existieren für sie nicht.

Arabische Schlepper nennen Flüchtlinge „ Haywan“ – Tiere. Und so behandeln sie die Flüchtlinge auch. Am Ende glaubt man selber fast, ein Tier zu sein.

Warum ist das so? Weil es überall auf der Welt Diktatoren gibt, die Menschen wie Sklaven in Zuchthäusern halten. Flüchtlinge sehnen sich nach ihrer ganz persönlichen Freiheit. Ich bin mit 17 Jahren geflüchtet, weil ich nicht in einer Diktatur sondern in Freiheit leben wollte.

Schlepper brauchen kein Verständnis für Fluchtmotive. Sie wollen nur Geld und verfolgen ihr Ziel mit aller Brutalität: sie schlagen Flüchtlinge, vergewaltigen sie, manche werden verkauft.  Mancher Flüchtling ist auch das Mordopfer von Schleppern geworden. Menschenhandel ist heute in Afrika  das große Geschäft, besonders in Nord- und Ostafrika. Millionen sind auf der Flucht und alle in der Hand von Schleppern.

Da, wo jedes Rechtssystem fehlt und jede Rechtssicherheit, da wo Habgier über dem Gebot der Menschlichkeit, über den zehn Geboten Gottes steht, da werden Menschen zu Tieren – Haywan.

 Zekarias Kebraeb
Deutschlandstiftung Integration

Mittwoch, 11. April 2012


                                                      Eritrea Land ohne Zukunft

Endloser Militärdienst, Drill, Misshandlungen, Folter, Sklaverei…Menschen ohne Zukunft, Land ohne Zukunft- Eritrea ohne Zukunft. Mit 17 musste ich meine Mutter und meine Heimatstadt Asmara in  Eritrea verlassen. Die Alternative wäre eine endlose Militärsklaverei gewesen. Wer das in Eritrea nicht akzeptiert, wird  verhaftet und gefoltert! Das wollte ich nicht. Eine Zukunft in Eritrea hatte ich nicht. Ich wollte nicht Sklave sein, auf ein Studium verzichten, auf Bildung, auf Hoffnung, auf Zukunft.
Die Straßen sind voll von Militärpolizisten. An jeder Ecke muss man seinen Ausweis zeigen und erklären, warum man nicht beim Militärdienst ist. Wer keine Ausnahmegenehmigung  hat, wird geschlagen, sofort ins Gefängnis gebracht oder nach Sawa in ein Militärlager geschickt. Niemand will das aber in einem diktatorischen Land entscheidet allein der Diktator. Alle andere haben keine Stimme, sind unwichtig. Flucht und Sklaverei beim Militär ist für ihn völlig normal. Diktatoren sind Krank, brutal, haben keine Zukunft. Am Ende sterben oder fliehen sie. Irgendwann geht auch die Zukunft einer Diktatur zu Ende. Alles hat seine Zeit. Darauf setzen wir. Dann beginnt die Hoffnung für Eritrea, auf die so viele Menschen setzen.

Aber der Preis ist hoch. Ein junger Mensch ohne Hoffnung mit 17 oder 18 Jahren beim Militär. Jedes Jahr dort ist ein verlorenes Jahr, ohne Ausbildung, Schulabschluss, ohne Einkommen. Die einzige Universität in Asmara ist seit 2006 geschlossen. Aber Eritreas Diktator bekämpft sich: „ Wir sind die Nummer 1 in diesem Kontinent“.

Eritreas Diktator hält sich durch Waffen, Militärlager und Krieg an der Macht. Das Ergebnis sind Not und Verzweiflung. Ich habe lange überlegen müssen, wie ich dem begegne. Am Ende war die Flucht meine einzige Chance, und die Hoffnung, meine Zukunft in einem anderen Land aufzubauen. Diese Flucht hätte mich mehrfach fast mein Leben gekostet. Und ich weiß, es sind außer mir tausende junger Menschen, die den gleichen Weg gehen. Aber der Preis ist hoch. Immer wieder verdursten Flüchtlinge in der Wüste, versinken seeuntaugliche Boote im Mittelmeer. Der Tod ist der ständige Begleiter der Flüchtlinge.

Gibt ist eine Zukunft für dieses kleine Land Eritrea? Solange die Jugend dort als Kanonenfutter die Grenzen verteidigen muss, um die Sicherheit des Diktators zu garantieren und seine Existenz zu sichern, nicht. Solange es keine Universitäten gibt, solange Unfreiheit und Terror das Land regieren, nicht. Zukunft braucht Freiheit. Ich hatte für mich keine andre Wahl. Für mich ist Deutschland meine neue Heimat. Hier habe ich Zukunft, weil es Menschen gibt, die an mich glauben, die mich stärken und mein Leben in Freiheit lebens- und liebenswert machen. Aber wenn ich zurück blicke, bricht es mir fast das Herz bei dem Gedanken an  mein Land ohne Zukunft.

Zekarias Kebraeb
Deutschlandstiftung Integration
April 2012




Dienstag, 3. April 2012

„ Zekarias, wie fühlt sich Durst an?“

Diese Frage, Jahre nach meiner Flucht durch die Sahara an mich gestellt, hat mich zu Tränen gebracht.

Warum?

Meine Mutter hatte mich zuhause immer wieder ermahnt! „Zekarias, trink dein Wasser aus!“ ich habe Ihre Ermahnung oft in den Wind geschlagen. Was ist schon ein halbes Glas Wasser?

Am 10. Tag der Flucht durch die Sahara sollte ich im Delirium immer wieder an die Ermahnungen meine Mutter denken. Und in Trance stand ich unter der Dusche, sah Wasser, Wasser ohne Ende. Sogar den Stadtbrunnen von Asmara sah ich in klaren Bildern. Eine Halluzination.

Die Sahara in einem völlig überfüllten Pickup zu durch queren, das heißt sengende Hitze, Sand, Sand, Hitze, Sand, Tag für Tag. Und dann waren die letzten Wasservorräte erschöpft. Die Schlepper hatten verboten, mehr Wasser mitzunehmen. Wasser nahm den Flüchtlingen Platz weg. Der Durst wurde immer quälender. Anfangs wollte ich meine Hoffnung auf Rettung nicht aufgeben. Irgendwann würde ich Wasser bekommen. Dafür habe ich zu Gott gebetet. Mein Glaube an Gott war stark. Ich bin in einer sehr konservativen katholischen Familie aufgewachsen. Die Bibel war unsere tägliche Lektüre. Und ich hatte die Vorstellung: „ Wenn Gott will, ist alles möglich.“ Jesus hat doch auch in der Wüste Speise und Trank für 5000 Menschen geschaffen.

Ich habe sehr oft gebetet, gebetet, gebetet. Aber meine Hoffnung schwand dahin. Ich war nur noch  verzweifelt; am Ende. Meine letzten Gebete waren: „ Gott, wo bist Du? Gott, bist Du da? Lebst Du noch? Ich sterbe! Hilfe! Hörst Du nicht? Ich bin erst 17 Jahre alt! Mein ganzes Leben habe ich doch noch von mir! Warum siehst Du mir einfach nur zu? Warum willst Du, dass ich sterbe?

Eigentlich hatte ich keine Kraft zu  beten. Aber ich wollte weiter beten, bist der Tod kommt. Ich merkte, dass mein Blut immer dicker wurde und Hände und Beine immer mehr anschwollen. Und den andren Flüchtlingen ging es wie mir. Ihre Verzweiflung war so groß, dass einige von dem Auto- Benzin trinken wollten. Andere tranken den eigenen Urin und wurden angebettelt, davon abzugeben, zu teilen. Bei Durst setzt der Verstand aus. Manchmal sterben Flüchtlinge im Kampf ums Überleben.

„ Lasst mich hier, fahrt weiter, einfach ohne mich, „stammelte ich. Ich wollte beim Sterben allein sein, nicht auf dem Fluchtauto, nicht während der Fahrt. Der Tod sollte leise kommen, der Tod in der Wüste. Ich war ihm ganz nahe.

Aki, mein Fluchtfreund ertrug es nicht länger. Er schrie mich an: „ Du musst es schaffen! Hier, trink das! Es war eine Infusionslösung, die er in mich hineinschüttete. Für den allergrößten Notfall hatte er sie aus dem Sudan mitgenommen. Und ich trank, denn eine Vene für die Infusion war nicht mehr zu finden.

Und plötzlich geschah das Wunder. Hatte Gott ein Einsehen mit mir? Hatte er meine Hilferufe gehört? Nach kurzer Zeit kam mein Verstand zurück und mit ihm der Überlebenswille. Gerettet? Wie lange würde es dauern, bis ich neues Wasser bekam? Bald danach kamen wir an eine Oase.

Wasser ist Leben. Das habe ich – dem Tod sehr nahe- in der Wüste gelernt. Heute gehe ich sehr behutsam mit Wasser um. Und wenn meine Mutter mich heute ermahnen würde: „ Zekarias, trink Dein Wasser aus!“ dann gäbe  es nichts, was ich lieber täte.




Herzlich Willkommen auf meinem Blog.

In diesem Blog werde ich regelmäßig von Erfahrungen meiner Flucht aus Eritrea und meinem Leben als Flüchtling in Deutschland berichten. Damit möchte ich allen Flüchtlingen, aber auch allen Menschen mit Migrationshintergrund Mut machen, ihren Weg zu gehen.


Ich freue mich über Ihre Kommentare und eigene Meinungen.


Vielen Dank für Ihr Interesse,


Ihr Zekarias Kebraeb
Deutschlandstiftung Integration